Konkrete Schülerorientierung gegen "Das interessiert doch keine Sau!"

Sprachen Lernen muss Spaß machen
Originalbild unter: http://www.flickr.com/photos/donnieray/11695580434/sizes/c/in/photostream/

Schonmal drüber nachgedacht, wie es wäre, wenn du deinen Partner als Schüler hättest? So war es bei mir. Weder er noch ich hatten Lust auf Frust. Kein Vokabelpauken, keine Grammatik. Und trotzdem sollte er irgendwie Deutsch lernen.

Und dann habe ich mich gefragt, ob meine Lösungsansätze nicht auch meinen Schülern zu Gute kommen könnten. Hier sind meine Überlegungen zu mehr Schülerorientierung und zwei ganz konkrete Methoden für den Unterricht.

 

Mehr zuhören - das wollen die Schüler genauso wie dein Partner

Dass man besser lernt, wenn man sich für das interessiert, um was es geht, ist sonnenklar. Auch Studien belegen das (z.B. im aktuellen Journal of Foreign Language Teaching (1/15), frag mich gern, wenn's dich interessiert).

 

Ebenso klar ist, dass wir Lehrer oft frustriert sind, weil es ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint, die Schüler in ihrer "alles-ist-uncool-Phase" für irgendetwas außer Schminkspiegeln, Apps oder Sammelkarten zu interessieren. Daher...

 

Erst mal können vor Lachen . . .

Original: https://www.flickr.com/photos/mabi/38871148/
Original: https://www.flickr.com/photos/mabi/38871148/

"Der spult jedes Jahr den gleichen Stoff ab."

 

"Wie peinlich, sie geht da voll drauf ab, dabei wär ich fast gestorben vor Langeweile."

 

Solche Sprüche hofft wohl niemand hinter seinem Rücken hervorzurufen. Aber wie soll man bei den Zwängen des Lehrplans und den mitteilungsschwachen und unmotivierten Schülern denn auch einen Treffer landen?

 

Meine Idee: mehr Schülerorientierung durch sinnvolle Selbstbestimmung. Und zwar so:

 

Methode 1: "Macht doch was ihr wollt!"

 

Bildbeschreibung... "das interessiert doch keine Sau!" ...dachte ich mir in meiner 10. Klasse.

 

Die sind sowieso mit Themen gebeutelt, zu denen ich irgendwie keinen Draht bekomme. Merkt man das? Bestimmt. Na gut, wat mut dat mut, denke ich als gute Bremerin und überlege, zwei ihrer tollen Plakate, die sie zum Thema "Raise awareness for a global issue" gemacht haben, beschreiben zu lassen. Ich fange schon bei der Vorstellung daran an zu gähnen...

 

Schluss damit. Risiko eingehen. Umdenken. Bildbeschreibung ja, aber zu ihren Bedingungen.

 

Ich kündige theatralisch eine superschwere optionale Hausaufgabe an:

 

"Findet ein Bild, das ihr gern beschreiben wollt. Ein Poster eures Lieblingsfilms, ein Bild eures Stars,... Hauptsache es ist ein bisschen was drauf, das man beschreiben kann. Und wer die Hausaufgabe vergisst, muss das Poster beschreiben" (MIST, hab ich grad "muss" gesagt?)

 

Schüler X: "Frau Dincheeeer, so richtig mitbringen, oder dürfen wir auch... ?"

 

"NEIN, ihr dürft nicht einfach ein Foto auf eurem Smartphone mitbringen!" [Tja, wie sich die Zeiten ändern... Heute würde ich sie das so mitbringen lassen, hat ja kaum noch jemand einen Drucker zuhause, außerdem haben sie jetzt eh alle Ipads.]

 

Schüler X: "Aber das Poster in meinem Zimmer ist sooo groooß!"

 

"Trotzdem. Dann finde es halt im Internet und druck es auf A4 aus."

 

Da wird mir klar, Schüler X macht eigentlich nie Hausaufgaben. Und interessiert sich auch sonst für nix außer seinen Sitznachbarn. In meinem Kopf regnet es goldenes Konfetti...

 

Die Stunde lief dann total entspannt. Irgendwie waren alle Schüler bei der Sache. Und ich konnte rumgehen und fragen, wer warum welches Bild gewählt hat. Sie fragten, wie man bei einem Poster ihrer Mitschüler über den Autor und das Erscheinungsdatum sprechen könnte. Lief!

 

Methode 2: Authentische Texte nach Wunsch...

 

Das gleiche Prinzip in der Mittelstufe. Genau genommen in der 7.Klasse, die sind fit genug für Popsongs. Einfach mal eine Liste der Songs aufstellen lassen, die sie gerne im Unterricht behandeln würden.

 

Dazu eine Liste auf DIN-A-3 Papier anfangen:

  • Song title,
  • Artist,
  • Student name (damit bei den extra versauten Texten auch klar ist, wer sich da einen Spaß erlaubt hat - oder kein Englisch versteht)

Danach durfte ich beruhigt feststellen, dass auch die Jungs nicht nur "Gangsta-Rap" hören. Und mir wurde sofort klar, dass ich, obwohl ich zu den jüngsten im Kollegium gehöre, doch mehr als doppelt so alt bin wie meine Schüler... Neulich hat mir meine Kollegin verklickert, dass in der Oberstufe das globalste Ereignis an das sie sich erinnern vermutlich Fukushima ist. Die waren bei 9/11 noch nicht mal in der Schule!! Herrjeh, sind wir alt.

 

Aber zurück zu den Songs.

 

Auch mein Klassenlehrerkollege, der die Liste auf dem Pult fand, war jedenfalls überrascht, wie wenig Namen ihm als Musikliebhaber überhaupt bekannt vorkamen.

 

Letztendlich war es besser so, denn die Schüler fühlten sich von meinem Interesse gebauchpinselt und ich konnte noch etwas lernen.

 

Mein Nachhilfekurs in  Teenie-Mucke war übrigens überraschend wenig schmerzhaft.

 

Klar sortiere ich aus, was zu sexuell aufgeladen ist, frauen- oder minderheitenverachtend. Oder schlicht und ergreifend kein für Anfänger geeignetes Englisch.

 

Und manchmal gab es sogar was zu lachen.

 

So zum Beispiel, wenn der Schüler mit Leserechtschreibschwäche den Song mit folgenden Lyrics vorschlägt (komplett abgedruckt):

 


"Animals"

We're the fuckin' animals
We're the fuckin' animals

 

 

In diesem alten Blogartikel findest du noch mehr Ideen dazu, wie du Schüler motivieren kannst.


Soll ich die Liste der Songs aus der engeren Auswahl mal hier teilen? Schreibe mir eine Email oder einfach unten einen Kommentar, dann weiß ich, ob sich die Arbeit lohnt.

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Kommentare: 1
  • #1

    MissS (Freitag, 06 Februar 2015 20:58)

    Sehr gerne! Ich versteh bei meinen 10ern nur noch Bahnhof, wenn die über ihre Lieblingsbands reden. Gerade einer konnte auf Anhieb die Beatles erkennen und meine anderen Lieder kannte bisher keiner. Ich glaub, die Idee klau ich gleich mal.
    Heute hab ich ein bisschen die verhasste Wörterbucharbeit versüßen können → funny pictures (hab mir mal die besten gegooglet). Kam gut an.