Wie man das Interesse der Schüler fesselt... (Teil 2) Was tun wenn die Schüler nichts erzählen?

Nach einer kleinen Osterpause nun also Teil 2 der Serie, wie man das Interesse der Schüler fesselt. Teil I findet ihr hier. Dazu gibt es heute ein paar Tricks, für den Fall, dass die Schüler gar nicht mitteilen, was sie interessiert. Und im Anschluss eine hilfreiche Übersicht von Themengebieten, die für Schüler in verschiedenen Altersklassen von Interesse sind.

Was mache ich, wenn meine Schüler mir gar nichts erzählen?

Junge mit leicht gebeugtem Kopf schaut aufmerksam in die Kamera


Na klar, Fünftklässler quasseln in jeder freien Minute. Bei älteren Klassen ist das nicht immer so. Kann man es ihnen denn auch verdenken? Erstens trainieren wir ihnen ja immer wieder an "Nicht so viel Quasseln..." "Keine Stories!" "Ich habe gerade keine Zeit!" "Hat das etwas mit dem Unterricht zu tun?".


Außerdem sind Erwachsene für pubertierende Teenager einfach nicht cool. Außerdem *können* Erwachsene die Probleme von Teenagern gar nicht verstehen. Und sie haben einen komischen Sinn für Humor.


Manchmal dauert es daher etwas, bis die Schüler darauf vertrauen, dass man an ihren "Stories" interessiert ist. Manchmal klappt es aber auch einfach überhaupt nicht.

Wie kann man dennoch herausbekommen, was die Schüler interessiert?

Trick Nr. 1: Lauschen


In der Fünfminutenpause einfach mal unauffällig beschäftigt wirken. Tafel wischen, am Pult korrigieren und nebenbei die Ohren aufsperren. Nicht immer ist es reines Geläster, oft unterhalten sich die Schüler über Fernsehserien, Sport und Berühmtheiten. Oder sie lesen ein Buch oder spielen Spiele mit und ohne Sammelkarten. In der nächsten oder übernächsten Stunde die neuen Erkenntnisse einfach mal einfließen lassen.


Trick Nr. 2: Fragen


Ich dachte meine ehemalige 7. Klasse sei zu cool für diese Welt. Es schien mir, als redeten die Mädels nur noch über Make-up und die Jungs über Fußball. Also erzählte ich Ihnen, dass ich für die neue Grammatikeinheit eine kleine Geschichte schreiben wolle und sie sollten mir doch einmal sagen, welche Charaktere darin vorkommen sollten. Eine rege Diskussion darüber brach aus, welche Charaktere aus dem Fernsehen dafür antreten sollten.


Es waren dann Cosmo und Wanda (freche Zeichentrickfeen, von denen ich gedacht hätte, dass sie dafür lääängst zu alt wären) und so ein Proletenpärchen aus einer Reality-TV-Show. Klar musste ich mich erstmal informieren, aber ich hatte nur durch Zuhören eine ganze Batterie an Vorschlägen inklusive ihrer Bewertungen in der Klasse.


Die Cosmo und Wanda-Story hat selbst die Coolness meiner 7.Klasse überwunden...

 

Trick Nr. 3: Fragebögen


Teenager lieben Fragebögen. Einfach mal selbst einen entwerfen mit Fragen wie:

Liste deine drei liebsten Freizeitbeschäftigungen auf.

 

Welche Sendungen guckst du im Fernsehen?

Was ist dein Lieblingsbuch?

Wer ist dein größter Held?

Was findest du cool?

...

 

In der Fremdsprache natürlich, dann ist es auch keine verschwendete Zeit. Und danach habt ihr jede Menge Steilvorlagen für interessante Anknüpfungspunkte.


Wie kann man sich absichern, bei den Themen nicht daneben zu greifen?


Nun zu REGEL NUMMER DREI für Schülermotivation: Achte darauf, dass es altersangemessen ist, bzw. auf die Klasse passt. Bei Misserfolgen (mehrstimmiges "laaangweilig" oder "Baaabykram"...) lieber abkürzen statt drauf zu beharren.

 

Wie bekommt man heraus, was altersangemessen ist, wenn man keine eigenen Kinder hat? Man kann sich über die Entwicklungspsychologie absichern.

 

Was interessiert junge Menschen in verschiedenen Lebensphasen?

Kieran Egan stellte dazu, ähnlich wie Piaget, Altersstufen in der Beschäftigung mit bestimmten Themen fest. Seine Thesen sind meiner Ansicht nach etwas besser inhaltlich verwertbar als Piaget's Entwicklungsstufen:

 

  • Mythische Ebene: ca. 4-10 Jahre (Fantasy)
  • Romantische Ebene ca. 8-15 Jahre (Helden)
  • Philosophische Ebene: ca. 14-20 Jahre (Bedeutung, Sinn)
  • Ironische Ebene: ab 19/20 (es gibt keine alleiniges Thema, Vielschichtigkeit)

Die Theorie ist, dass man die Ebenen nicht verliert, sondern mit zunehmendem Alter dazu gewinnt. Dennoch sollte man etwas aufpassen, wenn man seinen Oberstufenschülern mit Piraten und Drachen kommt. Aber mit ironischer Perspektive wäre das schon wieder ziemlich witzig.

 

[Auf die Infos bin ich über einen Vortrag von Helena Curtain, Lehrerin und Administratorin im Ruhestand, gestoßen (mit über drei Stunden allerdings eher Popkornkino an einem freien Abend und nur sehr eingeschränkt für TPRS nutzbar). Eine detailliertere Übersicht über Kieran Egans Theorie findet sich auch auf Englisch auf dieser Seite.]

 

 

Manchmal ist es hilfreich, eine etwas konkretere Übersicht zu haben. Diese Version habe ich mir selbst zusammengebastelt, unfertig und ohne Anspruch auf Richtigkeit:

Meine Liste von Themengebieten, die Teenager begeistern

5.Klasse:

  • Fantasie: Drachen, Ritter, Piraten, Hexen, auch kommerziell: Star Wars, LEGO, Harry Potter etc.
  • Hobbies
  • Tiere: Kuscheltiere, Haustiere, Wildtiere
  • Dinge schaffen
  • Eltern helfen, Freunden helfen, mutig sein

7.Klasse:

  • Erste Liebe, Verrat unter Freunden, Gruppenprozesse
  • Idole aus der Popwelt und aus Filmen
  • Idealismus
  • Dinge tun dürfen und nicht dürfen, Streit mit den Eltern
  • Sport

9.Klasse:

  • Teenagerprobleme: Alkohol, Drogen, ausziehen wollen
  • Vampire, Werwölfe, "düstere" Geschichten
  • aktuelle Nachrichten und ihre Auswirkungen auf einen selbst
  • Umwelt, Zukunft
  • immer noch Popidole
  • starke Verhaltensänderungen
  • sich unverstanden fühlen

 

Das sind natürlich keine Kochrezepte für Schülermotivation. Man braucht schon ein klein wenig Gespür für die Klasse und ihre Probleme.


Private Probleme, wie Übergewicht oder Scheidung der Eltern, sollten soweit möglich im Kopf behalten und im Unterricht vermieden werden. Klar ist das Risiko bei freieren Prozessen größer in ein Wespennest zu stoßen, mir ist es allerdings erstens noch nie passiert und zweitens würde ich das auch nicht unbedingt als einen wirklichen Hinderungsgrund sehen.


Wenn man das Leben zurück in die Schule holt, dann holt es einen manchmal eben auch ein. Aber wie bereits gesagt, bisher ist mir noch nie passiert, dass ein Schüler im Unterricht in Tränen ausbrach oder erzählte, wir hätten seine Situation getroffen.

 

Also, noch einmal in der Zusammenfassung:

 

TIPP NUMMER EINS für Schülermotivation: Sauge auf, welche kulturellen Inhalte die Schüler mitteilen. Dann benutze es schamlos um deine Unterrichtsinhalte zu transportieren.


TIPP NUMMER ZWEI für Schülermotivation: Lasse Schüler zum Star in ihrer Lieblingsdisziplin werden.

 

TIPP NUMMER DREI für Schülermotivation: Achte darauf, dass es altersangemessen ist, bzw. auf die Klasse passt.

 

Hoffentlich hat dir diese zweiteilige Serie ein paar Ideen gegeben, wie du das Interesse der Schüler stärker für deinen Unterricht gewinnen kannst. Schreibe mir gerne Ergänzungen und deine Meinung unten in den Kommentaren. Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, kannst du alle 14 Tage mehr davon in deinen Posteingang über einen Klick auf den Button bekommen:

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